19.08.2024
Zwischen Klima und Politik – Die Herausforderungen des Ackerbaus
Während hochwertige Agrarprodukte gefragt sind, beeinflussen komplexe Marktanforderungen, Digitalisierung, Klimawandel und politische Rahmenbedingungen die Zukunft der Landwirtschaft.
Der Ackerbau und seine Rolle in der Landwirtschaft
Was Ackerbau genau ist, darüber gehen die Ansichten auseinander. Am einfachsten ist wohl, die Produktion landwirtschaftlicher Güter zu nehmen, die Tierproduktion, Obst-, Gemüse- und Weinbau abzuziehen und den Rest als Ackerbau im weiteren Sinn zu bezeichnen. So betrachtet betrug der Produktionswert im Vorjahr 3,3 Mrd. Euro 2022 waren es fast 4 Mrd. Euro gewesen. Damals war der Anteil des Ackerbaus am Produktionswert landwirtschaftlicher Güter 42 % gewesen, der auf 37 % im Jahr 2023 sank. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Ackerbaues geht weit über die 3,3 Mrd. Euro hinaus. Der Bezug von Vorleistungen wie Saatgut, Dünger, Maschinen ermöglicht Wertschöpfung und Beschäftigung bei Zulieferer. Außerdem arbeiten viele Menschen in der Verarbeitung von Ackerfrüchten und tragen somit ebenfalls zur Wirtschaftsleistung bei.
Situation im Ackerbau
Wenn im Frühjahr ausreichend Regen gefallen ist, sind die kurzfristigen Aussichten zumindest nicht schlecht. Das trifft für die wichtigsten Ackerkulturen heuer global zu. Wie gut sich der Ackerbau aber rechnet, hängt von den Marktbedingungen ab. Diese sind nach dem Preisanstieg 2022 in einigen Bereichen dort, wo sie vorher waren. Die zufriedenstellenden Ertragserwartungen auf den globalen Agrargütermärkten tragen dazu bei. Die Preise für Betriebsmittel wie Dünger oder Diesel sind aber auf weit höherem Niveau als 2021. Somit sind die Aussichten auf einen guten wirtschaftlichen Ertrag auch heuer eher gedämpft. Die Stimmung im Ackerbau hängt aber nicht nur vom kurzfristigen Ausblick ab, sondern auch von den langfristigen Erfolgsaussichten. Dabei gilt es Entwicklungen einzuschätzen, die schwerer einzuordnen sind als der Witterungsverlauf und die aktuelle Marktlage. Dazu zählen der Klimawandel, die Anforderungen der Abnehmer, gesellschaftliche Erwartungen und Entwicklungen der Technologie und schließlich die politischen Rahmenbedingungen.
Klimawandel - Anpassung und Vermeidung
Ackerbau zählt zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen wirtschaftlichen Aktivitäten. Eine längere Vegetationsdauer, höhere Durchschnittstemperaturen und mehr Kohlendioxid in der Luft begünstigen die Produktion. Anpassungen sind jedoch nötig. Besser angepasste Sorten und neue wärmeliebende Kulturpflanzen kommen in die Fruchtfolge. An vielen Standorten sind nun zwei Ernten möglich, wo vor fünf Jahrzehnten nur eine Ernte mäßigen Ertrag brachte. Spätfröste, intensivere Schadereignisse wie Hagel und Dürre, verstärkter Schädlingsdruck und große Belastungen für die Arbeitskräfte gehören zur Kehrseite. Wassermangel ist in vielen Regionen die größte Bedrohung, da die Gefahr besteht, dass Ackerbau nicht mehr möglich sein wird. Kann der Klimawandel abgemildert werden, sinkt das Gefahrenpotenzial und die Anpassungskosten halten sich in Grenzen. Die Landwirtschaft hat daher höchstes Interesse am Klimaschutz. Die Landwirtschaft verursacht zehn Prozent der Emissionen von Treibhausgasen in Österreich. Die Emissionen sollen bis 2030 um nahezu die Hälfte gesenkt werden. Aber wirkungsvolle Technologien zur Emissionssenkung sind in der Landwirtschaft entweder nicht vorhanden oder kostenintensiv.
Die Herausforderungen im Ackerbau sind im Vergleich zur Rinderwirtschaft und Milchproduktion geringer. Emissionen aus der Tierhaltung machen 59 % der Emissionen der Landwirtschaft aus. Weitere 15 % entstehen beim Management von organischen Düngern. Der verbleibende Teil der Emissionen stammt vor allem von Mineraldüngern. Emissionen durch Dieseleinsatz werden im Verkehr verbucht und die bei der Düngerherstellung anfallenden Emissionen finden sich in der Industrie. Um die Emissionen im Ackerbau zu senken, müssen die Verluste bei der Ausbringung von Mineraldüngern verringert werden. Pro Tonne Rein-Stickstoff entstehen etwa 10 kg Lachgas, was klimawirksam wie 2,9 t Kohlendioxid ist. Düngersparende Verfahren sind daher sowohl wirtschaftlich als auch klimafreundlicher. Betriebsmittel wie Harnstoff sind bereits teurer geworden. Es ist wichtig, dass erneuerbare Energieträger fossile schnell ersetzen und kostengünstig werden.
Marktanforderungen
Viele Ackerbaubetriebe haben bereits vor Jahrzehnten begonnen, durch differenzierte Produkte den Ansprüchen des Marktes besser gerecht zu werden. In Erzeugergemeinschaften oder Bioverbänden werden solche Produkte vermarktet und Produktinnovationen entwickelt. Der Erfolg lässt sich durchaus an Zahlen festmachen. Die Preise wichtiger Agrargüter sind in Österreich häufig etwas höher als die gleichen Produkte in vergleichbaren Ländern. Nach Österreich werden große Mengen an Getreide und Mais aus dem Ausland geliefert, um daraus Industriegüter herzustellen, während Agrargüter aus Österreich im Inland und Ausland vor allem zu hochwertigen Lebensmitteln weiterverarbeitet werden. Internationale Organisationen wie die FAO, aber auch die EU-Kommission beschäftigen sich mit der globalen Versorgungssicherheit. Dazu werden jährlich Ausblicke auf die Marktentwicklung im kommenden Jahrzehnt prognostiziert. Dabei werden neben der Entwicklung der Weltwirtschaft und der Bevölkerungszunahme auch Faktoren wie Produktionskosten, Ertrags- und Flächenentwicklung berücksichtigt. Gemäß den aktuellen Prognosen vom Dezember ist zu erwarten, dass die Preise wichtiger Agrargüter im kommenden Jahrzehnt nur leicht steigen werden. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt und die Produktion in vielen Ländern effizienter wird. Für jene, die Agrargüter nachfragen, ist dies eine gute Nachricht. Für jene, die sie produzieren, weniger, da ja zu erwarten ist, dass viele Vorleistungen eher teurer werden.
Neuerdings kommen für Ackerbaubetriebe weitere Anforderungen dazu. Große Abnehmer haben begonnen, Informationssysteme aufzubauen, mit denen dokumentiert wird, wie viele Treibhausgasemissionen in ihrer Lieferkette entstehen. Das bedeutet, dass ihre Lieferanten – also auch die Ackerbaubetriebe – angehalten werden, die in der Produktion entstehenden Emissionen zu beziffern. Wie dies konkret umgesetzt wird und welche Vor- und Nachteile sich für den Ackerbau ergeben, ist derzeit noch nicht ganz absehbar. Es ist jedoch zu erwarten, dass Information über die Art und Weise wie produziert wird, bereits in naher Zukunft wichtiger werden wird. Damit werden auch weitere Dokumentationen über die einzelnen Produktionsschritte erforderlich sein. Das stellt Betriebe in Österreich, die eher klein sind und keine eigene IT-Abteilung haben, vor große Herausforderungen.
Technologien und gesellschaftliche Erwartungen
Die Digitalisierung der Landwirtschaft erfasst immer mehr Bereiche. Elektronische Ackerschlagkarteien, teilflächenspezifische(r) Düngung und Pflanzenschutz, auf künstliche Intelligenz gestützte Warndienste und Bewässerungsempfehlungen und die digitale Vernetzung von Sensoren finden immer breiteren Eingang in die Landwirtschaft. Wer letztlich daraus einen Vorteil zieht ist nicht ganz klar und schwer abzusehen. Klar ist jedenfalls, dass es für die meisten Betriebe keine Option ist, auf solche Technologien zu verzichten. Dazu ist es erforderlich auch das passende Know-How zu erwerben und das Datenmanagement am Betrieb aufzurüsten. Wenn man die erzielbaren betriebswirtschaftlichen Kosteneinsparungen dem Aufwand gegenüberstellt, kommt man eher ins Grübeln. Die Vorteile liegen vor allem darin, dass die Produktion umweltfreundlicher wird. Den Umweltvorteil in einem höheren Produktpreis auf die Abnehmer überzuwälzen gelingt aber nur selten. Außerdem ergibt sich möglicherweise eine weitere Schieflage im bereits herrschenden Ungleichgewicht in der Wertschöpfungskette. Anbieter von digitalen Lösungen können auf der Grundlage der Daten, die ein Betrieb bereitstellt, neue Dienstleistungen entwickeln, ohne dass die Datenbereitstellung abgegolten wird. Die Digitalisierung ist somit eine zweischneidige Angelegenheit. Da sie aber nun da ist, erwartet die Gesellschaft, sie in ihrem Sinne zu nutzen. Dem Ruf nach mehr Transparenz in den Produktionsabläufen kann mit solchen Techniken entsprochen werden. Gleichzeitig sind damit neue Kontrollmöglichkeiten verbunden und somit neue Zwänge abzusehen. Da die Entwicklung sehr dynamisch ist, hinkt die Regulierung hinterher und dies kann somit zu einem Überwiegen der Nachteile für die Landwirtschaft führen. Ein weiterer Bereich, in dem gesellschaftliche Erwartungen eine harte Nuss für den Ackerbau darstellen, ist der Umgang mit neuen Methoden in der Pflanzenzucht. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass damit viele Vorteile verbunden sein können, etwa indem die Schädlingstoleranz verbessert oder die Dürreanfälligkeit verringert wird. Damit steigt die Resilienz der Pflanzenproduktion nennenswert und verbesserte Produkteigenschaften sind ebenso möglich. Dies bringt maßgebliche Vorteile für die meisten Menschen und sicherlich auch für die meisten Produzenten. Aber es gibt nicht wenige Menschen mit hohem politischen Gewicht, die solche Technologien schlichtweg ablehnen. Ein plausibles Szenario ist, dass jene Produzenten, denen die neuen Technologien verwehrt werden, Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt sind. Es ist derzeit nicht klar, ob die von einigen Gruppen angestrebten Vorteile eines Verbots die Nachteile überwiegen oder nicht. Bedauerlich ist, dass hierzulande dazu keine sachliche Diskussion auf der Grundlage wissenschaftlich abgesicherter Evidenz geführt wird.
Politische Rahmenbedingungen
Damit sind wir bei den politischen Rahmenbedingungen. Um dieses Thema in Kürze zu behandeln, ist es nützlich, zwischen jenen Bereichen zu unterscheiden, für welche die EU zuständig ist von jenen, die vorwiegend national bestimmt werden. Die Bauernproteste zu Jahresbeginn haben nämlich deutlich gezeigt, dass zwischen diesen Ebenen unterschieden werden muss. Die Gegenüberstellung der Gründe warum demonstriert wurde, zeigt nämlich, dass es überwiegend nationale Themen waren, die zu den Protesten geführt haben. Schließlich gab es ja nicht in der ganzen EU Demonstrationen, auch wenn einzelne Gruppierungen in Österreich auf den Zug aufspringen wollten. Die Bauernproteste haben aufgedeckt, dass die Art und Weise der Umsetzung von EU-Vorgaben oft unterschiedlich ist. In einigen Ländern wurden EU-weite Ziele über Jahrzehnte mit allen möglichen Tricks verzögert. Dadurch konnten Wettbewerbsvorteile auf Kosten der Umwelt – und der Bauern in anderen EU-Ländern – ausgebaut werden. In vielen Protesten spielten zudem Fragen der Besteuerung eine wichtige Rolle, also ein Bereich, in dem die EU wenig zu sagen hat.
Bei den oben angesprochenen neuen Pflanzenzuchtmethoden zeichnet sich ab, dass einzelne Staaten die neuen Möglichkeiten zulassen andere aber nicht. Wenn man daran denkt, dass die Saatgutvermehrung für viele Betriebe ein wichtiges Standbein ist, wird klar, dass die Entscheidung dafür oder dagegen weitreichende wirtschaftliche Folgen hat. Protestierende Bauern haben sich auch gegen Maßnahmen der EU gerichtet. Auch dabei fällt auf, dass es weniger um die EU-Agrarpolitik ging als vielmehr um andere Politikbereiche. Zunächst die Proteste gegen Getreidelieferungen aus der Ukraine. Das ist ein Thema der Sicherheitspolitik und der Stabilisierung eines Landes, das von einem übermächtigen Gegner überfallen wurde und Tag für Tag Tod und Zerstörung ausgesetzt ist. Die Proteste gegen Mercosur. Das ist ein Thema der Handelspolitik. Die Begrenzung von Düngermengen. Das ist ein Thema der Klima- und Gewässerschutzpolitik. Die Begrenzung von Pflanzenschutzmitteln und die Ausdehnung von Biodiversitätsflächen. Das sind Themen der Umweltpolitik. Hier geht es also vor allem um gesellschaftliche Anliegen, die auf EU-Ebene diskutiert und vorangetrieben werden. Dahinter stehen immer Einflussgruppen aus den Mitgliedstaaten. Schließlich wird auf EU-Ebene nur das beschlossen, was Rat und EU-Parlament absegnen. Sowohl die Mitglieder des Rats als auch des EU-Parlaments handeln im Auftrag ihrer Wähler. Die EU-Kommission muss es hinnehmen, wenn ihre Vorschläge keine Zustimmung finden. So betrachtet werden auf EU-Ebene oft politische Scharmützel ausgetragen, weil die Interessengegensätze auf nationaler Ebene nicht ausreichend gut gelöst werden konnten.
Priv.-Doz. DI Dr. Franz Sinabell
Ökonom und Forschungsbereichskoordinator,
WIFO Wien
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