29.06.2021

Perspektiven und Chancen

in Saatgut und Sorte

Die Pflanzenzüchtung war immer getrieben von der permanenten Veränderung ihres landwirtschaftlichen Umfelds. Neue Technologien und Methoden stellten die Pflanzenzüchtung immer wieder auf neue Schienen. Geänderte Anforderungen der Konsumenten und Veränderungen des Klimas förderten die Entwicklung von neuen Sorten und alternativen Kulturarten. Die Eintragung von neuen Sorten in die Sortenregister dieser Welt, sind das Ergebnis und die Antwort der Pflanzenzüchtung und Sortenentwicklung auf diese steten Veränderungen.

Pflanzenzüchtung ist umgeben von Wissenschaften aus denen sie Wissen bezieht und die sie beeinflussen. Dazu zählen u.a. die Genetik, die Botanik, die Statistik, die Molekularbiologie, der Pflanzenbau und die Pflanzenernährung. Die Umgebung wird auch zukünftig dieselbe sein. Der Einfluss der einzelnen Bereiche verschiebt sich jedoch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Die Saatbau Linz ist ein Unternehmen, das vollumfänglich das Thema Saatgut bearbeitet. Beginnend mit der Züchtung, bis zur Sortenentwicklung, Saatgutproduktion und Saatgutvertrieb ist die gesamte Kette im Unternehmen abgebildet. In allen diesen Bereichen sind zukünftige Weiterentwicklungen zu erwarten.

Potenzial neuer Züchtungsmethoden bleibt ungenutzt

Im Bereich der Züchtung und der Molekularbiologie sind es die Neuen Züchtungsmethoden (NBT), die für viel Diskussion sorgen. Die Einstufung des EUGH, diese vielversprechenden Methoden als Gentechnik zu bezeichnen, ist fast durchwegs als großer Rückschlag in der weiteren Entwicklung der europäischen Pflanzenzüchtung angesehen worden. Den Ideen und Anwendungsmöglichkeiten wären (fast) keine Grenzen gesetzt. Es gibt eine Unzahl an Merkmalen in sehr vielen Kulturarten die durch Gene Editing (gezielte Veränderung einzelner Merkmale mit Hilfe von NBT) zu verändern wären. Meist handelt es sich nicht um elementar wichtige Merkmale wie Ertrag, Trockenheitstoleranz oder Hitzeverträglichkeit, aber eine Punktmutation hier und eine da kann schon zu wesentlichen Veränderungen von Qualität oder Resistenz bzw. Anfälligkeit von Sorten führen. Vieles davon wird sinnvoll sein, manches vielleicht sogar marktdominierend und nicht ganz wenig für die Schublade. Trotzdem, in der Präzision, der vermeintlichen Einfachheit der Anwendung, der ideenstiftenden Art liegt viel Positives, von dem es schade wäre, wenn es dies nur außerhalb von Europa gäbe. Anders als bei der herkömmlichen Gentechnik, die zu einer, vereinfacht dargestellt, 2-spurigen Straße (Glyphosatresistenz, Resistenz gegen Insektenfraß) wurde, vermittelt Gene Editing schon fast den Wunsch des unabhängigen Wissenschaftlers nach seinem Beitrag zu einem weitverzweigten Straßensystem. Jeder darf mitmachen, weil es gar so einfach ist.

Moderne Labormethoden ergänzen klassische Pflanzenzüchtung

Anders ist die Situation in der DANN-Markeranalyse. Die züchterische Bewertung und Selektion von Zuchtstämmen unter Zuhilfenahme molekularer Markermuster, hat zum heutigen Zeitpunkt schon weite Bereiche in der Pflanzenzüchtung erreicht und wird auch zukünftig noch einen wesentlichen Beitrag zur Selektion von neuen Sorten beitragen. GS (genomische Selektion), GWAS (Genomweite Assoziationsstudie) und MAS (Marker gestützte Selektion) wenden mittlerweile fast alle Züchter in unterschiedlichem Ausmaß an. Trotzdem ist mit der Weiterentwicklung der DNA-Analysemethoden noch sehr viel Luft nach oben enthalten. Eine genomweite Markeranalyse mit mehreren tausend Einzelmarkern kostet heutzutage ungefähr gleich viel wie eine Ertragsparzelle am Feld. Somit besteht für die Pflanzenzüchter erstmals die Chance Feldkapazitäten ins (Fremd-) Labor zu verlegen. Da Versuchsflächen nicht beliebig ausdehnbar sind, ergibt sich mit dieser Technologie eine Möglichkeit, Kapazitätsgrenzen zu verschieben. Und dabei ist diese Tatsache eigentlich nur eine positive Nebenerscheinung der Markertechnologie. Der Hauptaspekt liegt in der frühestmöglichen Einschätzung des Zuchtwerts von Kreuzungsnachkommen, um die Anzahl an Prüfstämmen möglichst früh reduzieren zu können.

Genomische Selektion ermöglicht im Gegensatz zu Gene Editing die Bearbeitung von Merkmalen, die von vielen Genen beeinflusst werden. Erstmals ist es möglich mit Rechenmodellen Ertragsleistungen vorherzusagen. Diese Vorhersagen gehen sogar soweit, dass das Rechenmodell die Kreuzungseltern vorschlägt, die die beste Kombinationseignung aufweisen.

Gregor Mendel hat die Genetik mit seinem mathematisch-statistischen Wissen begründet, erstmals Vererbungsmuster beschrieben und somit die Basis für die Genetik geschaffen. Die Biostatistik ist eine sehr würdige Weiterentwicklung, die bereits heute und in Zukunft einen wichtigen Teil der Informationen liefern wird, welche für die Arbeit eines Pflanzenzüchters notwendig sind, um seine Entscheidungen zu treffen. Diese Entwicklungen bedeuten aber nicht das Ende des Pflanzenzüchters, der am Feld steht und seine Sorten analysiert. Das Gegenteil ist der Fall. Die genomische Selektion benötigt zur Kalibration des Rechenmodels sehr exakte Felddaten und die müssen am Feld erhoben und in die Modelle eingearbeitet werden. Der „grüne Daumen“ des Züchters wird daher auch in Zukunft gefragt und notwendig sein, um die besten Sorten zu finden und zu entwickeln.

Mut steht am Anfang des Handelns

Die größte Herausforderung für Züchter und Züchtungsunternehmen wird es bleiben, mit den technologischen Innovationen Schritt zu halten und die Zukunftstechnologien von den Einbahnstraßen der Wissenschaft zu unterscheiden. Mit dem „Nein“ zur Gentechnologie, wurde das Ende der europäischen Pflanzenzüchtung beschworen. Die Wahrheit liegt heute zwischen den Befürwortern und den Kritikern. Nein, die europäische Pflanzenzüchtung wurde zum Glück nicht zu Grabe getragen und Ja die wenigen „Amerikaner“ sind sehr erfolgreich mit dieser Technologie. Ob diese Tatsache immer Gültigkeit haben wird und die im Westen Europas weit verbreitete Technophobie ein guter Berater ist, wird uns die Zukunft weisen. Wir leben in einer Welt in der der Konsument mitentscheiden möchte. Diesem Trend können und dürfen wir uns nicht widersetzen, aber er bedeutet Entscheidungen zu akzeptieren, die wir als Pflanzenzüchter fachlich nicht nachvollziehen werden können. Die Saatbau Linz hat in ihrer 70-jährigen Geschichte schon viele erfolgreiche Züchtungsprogramme begonnen und weniger erfolgreiche auch beendet. Waren es zu Beginn die Kartoffel und das Getreide sind heute die wichtigsten Kulturarten der Mais und die Sojabohne. Diese Anpassungsfähigkeit und das Gespür der Saatbau Linz, den richtigen Weg zu wählen, werden uns auch in Zukunft begleiten müssen, um erfolgreich an der Pflanzenzüchtung der Zukunft beteiligt zu sein.

Dr. Christian GLADYZ
Produktentwicklung
SAATBAU LINZ

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