29.06.2021

Sichere Sojabohne für die Lebensmittelproduktion

Die SAATBAU ERNTEGUT ist seit Juli 2020 Partner des Kompetenzzentrums für Feed and Food Quality Safety and Innovation – kurz FFoQSI.

Ziel dieser Forschungseinrichtung ist es, Lebensmittel und die Lebensmittelproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette noch besser, sicherer und nachhaltiger zu machen. Dies ist auch die Absicht unseres Projektes Secure Soja, das wir gemeinsam mit der FH Wels im Rahmen des Kompetenzzentrums durchführen. In diesem Forschungsprojekt beschäftigen wir uns mit der Sicherheit von Bio-Speisesojabohne in Hinblick auf Tropanaklaloide.

Tropanalkaloide

bekannter Wirkstoff, neue Problematik

Tropanalkaloide sind natürliche, sekundäre Pflanzeninhaltstoffe, die schon in relativ geringer Menge bei der Aufnahme mit der Nahrung zu Vergiftungserscheinungen führen können. Besonders Kleinkinder und Menschen mit Herzproblemen sind gefährdet. Es sind mehr als 200 unterschiedliche Tropanalkaloide bekannt – als Leitsubstanz und für den Nachweis im Rohstoff bzw. Lebensmittel wird der Gehalt von Atropin und Scopolamin herangezogen.

Hohe Tropanalkaloid-Konzentrationen sind im Weißen Stechapfel (Datura stramonium) sowie im Schwarzen Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) zu finden, die als Beikräuter in spätkeimenden Ackerkulturen wie Hirse, Buchweizen, Mais, Soja und Kürbis vorkommen und in großen Gebieten Österreichs starke Ausbreitung erfahren. Verantwortlich für diese Ausbreitung sind vor allem die sich ändernden klimatischen Bedingungen sowie die Zunahme der Bio-Flächen, aber auch mangelndes Bewusstsein bei den Produzenten spielt eine Rolle.

Problempflanze Stechapfel

Im Projekt Secure Soja fokussieren wir uns in erster Linie auf den Gemeinen Stechapfel, da er mengenmäßig häufiger auftritt und in den klassischen Anbaugebieten für Bio-Speisesoja vermehrt zu finden ist. Der Stechapfel ist eine einjährige, üppige Pflanze, die bis zu 2 m hoch wachsen kann. Mit seinen markant gelappten Blättern und auffallend großen trichterförmigen weiß bis hellvioletten Blüten ist die Pflanze leicht zu erkennen. Seinen Namen verdankt er den stacheligen 5 cm großen Früchten, die vierklappig sind und zur Reifezeit aufspringen, um die zahlreichen braunschwarzen Samen freizusetzen. Die Samen sind sehr robust und können im Boden – je nach Tiefe – bis zu 40 Jahre überdauern. Selbst nicht ausgereifte Samen haben die Fähigkeit nachzureifen und wieder auszutreiben. Pro Kapsel werden zwischen 100 und 800 Samen ausgebildet, je nach Wachstumsbedingungen kann der Stechapfel pro Pflanze zwischen 1.300 und 30.000 Samen produzieren.

Die wärmeliebende Pflanze keimt spät (ab Mitte Mai) und blüht von Juni bis Oktober. Sie bevorzugt stickstoffreiche Böden, ist aber auch auf Schuttflächen und Wegrändern verbreitet. Das Wurzelsystem entwickelt sich abhängig vom Bodentyp entweder flachgründig und wenig verzweigt bis stark verzweigt mit Pfahlwurzel. Die Verbreitung in die Ackerflächen erfolgt beispielsweise durch verunreinigtes Saatgut von Zwischenfruchtmischungen, den Eintrag über Kompost oder dauerhaft angelegten Extensivierungsflächen.

Kontamination des Ernteguts

Durch das zeitgleiche Abreifen des Stechapfels mit späten Sommerkulturen können die tropanalkaloidhaltigen Samen über das Erntegut in die Lebensmittelkette gelangen. Dies ist vor allem bei kleinkörnigen Kulturarten wie Hirse problematisch. Bei großkörnigen Kulturen wie Soja und Mais können die giftigen Samen herausgereinigt werden. Allerdings führt das Miterfassen der grünen Stechapfelpflanzen bei der Ernte dazu, dass giftiger Pflanzensaft austritt und sich im Mähdrescher auf das Erntegut verteilt. Eine nicht sichtbare Kontamination ist die Folge. Mangels der Möglichkeit für einen Schnelltest ist die Analyse auf Tropanalkaloide erst möglich, wenn die Ware bereits im Lager liegt.

Laut einer Modellrechnung des FIBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) genügt bereits eine grüne Stechapfelpflanze im Bestand, um das Erntegut beim Drusch durch den Austritt giftigen Pflanzensafts zu verunreinigen. Somit ist es nicht ausreichend, die Stechapfelsamen im Nachhinein aus dem Erntegut heraus zu reinigen und auszusortieren. Eine mechanische Entfernung und Entsorgung der gesamten Giftpflanze in möglichst frühem Entwicklungsstadium ist entscheidend.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Derzeit existieren in der EU keine verpflichtenden Grenzwerte für die Tropanalkaloide Atropin und Scopolamin mit Ausnahme für Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder, die Hirse, Sorghum, Buchweizen oder daraus gewonnene Erzeugnisse enthält. Für diese Produkte wurde ein Höchstgehalt von 1 µg/kg für Atropin und 1 µg/kg für Scopolamin von der Kommission festgelegt. Allerdings besteht ein gesundheitsbezogener Richtwert, den die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit 0,016 µg/kg Körpergewicht definiert. Diese akute Referenzdosis (ARfD) ist jene Menge einer Substanz pro Kilogramm Körpergewicht, die über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko für die VerbraucherInnen aufgenommen werden kann.

Projektziele

Produktrückrufe im vergangenen Jahr in Deutschland aufgrund der Kontamination mit Tropanalkaloiden haben zu einer erhöhten Sensibilität bei Lebensmittelverarbeitern sowie Rohstoffhändlern geführt. Seit Mitte 2019 führen wir daher innerhalb unseres Unternehmens ein Monitoring bei unserer Speisesojaproduktion durch. Auch die Bewusstseinsbildung bei den Produzenten steht im Fokus, um das Problem bereits am Feld anzugehen.

Zusätzlich wollen wir mehr Kenntnisse und Grundwissen zur Thematik im Unternehmen aufbauen. Gemeinsam mit unserem Forschungspartner der FH Wels bearbeiten wir daher im Projekt Secure Soja unterschiedliche Fragestellungen dazu. Ein wichtiges Ziel ist, mehr über das Verhalten der Tropanalkaloide in der Aufbereitung und den Be- und Verarbeitungsschritten von Speisesoja zu lernen.

Wir wollen das Thema entlang der gesamten Wertschöpfungskette verstehen und mit diesem Wissen das Risiko einer Kontamination im Endprodukt zu minimieren.

Christine SAILER-GANGL
Produktentwicklung
SAATBAU LINZ

Quick Links