10.03.2022

Agro Rebels – Raus aus der Opferrolle

Der Klimawandel ist Problem und Chance zugleich. Der Verein Agro Rebels will die Chance ergreifen – und gemeinsam mit Landwirten mediterrane Obst- und Gemüsesorten anbauen.

Ihr erstes Produkt: Die österreichische Olive.

Was ist die Idee hinter den Agro Rebels? Und was genau ist so rebellisch daran?

Daniel Rössler: Unser Verein hat sich zum Ziel gesetzt, heimischen Bauern im Kampf gegen den Klimawandel zu helfen. Wir machen das, indem wir exotische Pflanzen in Österreich erforschen, testen und dann mit Landwirten gemeinsam anbauen. Damit drehen wir den Spieß um: Der Klimawandel macht nichts mit uns – wir machen was mit ihm. Und das ist das Rebellische daran: Wir sind nicht mehr Opfer des Klimawandels, sondern nutzen ihn aktiv!

Dr. Markus Fink: Genau. Denn so wie sich das Klima wandelt, so wandeln sich auch die Anbaumöglichkeiten für die heimische Landwirtschaft. Klimaprognosen gehen davon aus, dass es bei uns bereits 2030 teilweise Temperaturen geben wird wie heute in Teilen Südeuropas. Das ist ein riesiges Problem. Aber gleichzeitig werden sich hierzulande Früchte anbauen lassen, die wir bisher nur aus Italien, Spanien und Co kannten.

Wie die Olive zum Beispiel. Sie haben viele Jahre an der Pflanze geforscht und wollen sie nun in Österreich salon- bzw. feldfähig machen. Wieso haben Sie Ihren Fokus auf diese Frucht gelegt?

Dr. Markus Fink: Die Olive ist eine wunderbare Frucht, sowohl für den Bauern als auch für den Konsumenten. Der Bauer erhält einen Baum, der widerstandsfähig, klimaresistent und mit relativ geringem Aufwand
über hundert Jahre produktiv sein kann. Und der Konsument erhält ein Produkt, das gesund und erstmalig regional ist.

Daniel Rössler: Olivenöl ist das am öftesten gefälschte Lebensmittel in der EU. Wir wollen, dass Österreicher zum ersten Mal österreichisches Olivenöl kaufen können. Die Nachfrage danach ist groß, der Markt bisher noch völlig ungesättigt. Die Kunden wollen wissen, wo ihr Essen herkommt. Die COVID-Krise hat diesen Trend zur Regionalität und Nachvollziehbarkeit nochmals verstärkt. Durch uns können sie sich das Öl bald ab Hof abholen. Oder besser: ab Hain.

Foto: © www.shutterstock.com

Nochmal zum Olivenbaum: Ist es derzeit in Österreich nicht trotzdem zu kalt für diese Pflanze?
Immerhin dauert es ja noch eine Weile, bis die Temperaturen hierzulande mediterran sind?

Dr. Markus Fink: Wir haben in den letzten Jahren intensiv geforscht und dutzende Sorten getestet. Dadurch wissen wir mittlerweile ziemlich genau, welche Bäume in den mildesten Regionen Österreichs funktionieren – und zwar schon jetzt. Die Frosthärte dieser Bäume beträgt etwa minus 12 bis minus 15 Grad. Die Bäume gedeihen damit auch schon unter den gegenwärtigen Bedingungen in den wärmeren Ecken Österreichs sehr gut. Unser Job ist es jetzt, die richtigen Sorten für die spezifischen Standorte zu identifizieren. Also auch für Orte, an denen die Bedingungen etwas härter sind.

Stichwort „harte Bedingungen“: Sie haben in Ihren Forschungen untersucht, wie Pflanzen im Weltraum überleben können. Was lässt sich daraus für Oliven in Österreich lernen?

Dr. Markus Fink: Gemeinsam mit der Europäischen Weltraumbehörde ESA wurde erforscht, wie diverse Gemüsepflanzen zur Ernährung von Astronauten unter sehr kargen Bedingungen gedeihen können: Keine bzw. sehr geringe Schwerkraft, äußerst wenig Substrat und Wasser und noch dazu mit künstlichem Licht. Und: es funktioniert! Anwendungen sind beispielsweise auf der Internationalen Weltraumstation ISS oder künftig in Space-Habitaten, wie sie für den Mond oder Mars geplant sind, vorgesehen.

Foto: © Agro Rebels

Sehr interessant. Aber nochmal zurück zur Erde: Man hört, dass die Agro Rebels an der Züchtung eines österreichischen Olivenbaums arbeiten?

Dr. Markus Fink: Ja, das stimmt. Es ist unser wichtigstes Forschungsprojekt im Moment. Gemeinsam mit der BOKU kreuzen wir diverse vielversprechende Sorten. Zum Beispiel eine äußerst frostresistente Sorte, die aufgrund ihres geringem Ölgehaltes typischerweise als Zierpflanze verwendet wird mit solchen, die selbstfruchtend sind und große Oliven ausbilden, allerdings nicht ganz an die gewünschte Frosthärte heranreichen. Hier geht es darum, eine Kreuzung zu finden, die beide Vorteile vereint: Zum einen eine Frosthärte, die für weite Teile Österreichs ausreicht, und zum anderen eine ertragreiche Frucht, die eine kommerzielle Produktion ermöglicht. Die bisherigen Versuche sind sehr vielversprechend, und wir freuen uns schon sehr auf den ersten heimischen „Ölivenbaum“. Aber bis es soweit ist, dauert es noch ein wenig: Wir erwarten, dass wir den österreichischen Baum vor Ende des Jahrzehnts im Sortenregister eingetragen haben und ihn dann österreichischen Landwirten anbieten können.

„Bauern sind die Meister der Anpassung, sie kämpfen an vorderster Front.“

Daniel Rössler,
Agro Rebels

Der Klimawandel ist eine riesige Herausforderung für unsere Gesellschaft. Wir werden lernen müssen, uns daran anzupassen. Wie können wir das lernen – und welche Rolle kann die Landwirtschaft dabei spielen?

Daniel Rössler: Eine sehr wichtige! Bauern sind Meister der Anpassung, sie kämpfen an vorderster Front. Während Büroangestellte einfach die Klimaanlage aufdrehen, wenn ihnen zu heiß ist, steht der Bauer am Feld und schwitzt. Er denkt dabei nicht an Klimaanlagen, sondern an seine Pflanzen. Und daran, wie er sie an das Klima anpassen kann. Landwirte machen das seit Jahrhunderten so, und zwar weltweit. Wir haben das bei unserer Arbeit überall erlebt, von den Mango-Bauern in Westafrika bis zu den Kaffee-Farmern im Pazifik.

Dr. Markus Fink: Die Aufgabe von Agro Rebels ist es jetzt, Bauern systematisch bei dieser Anpassung zu helfen: Austausch ermöglichen, Wissen aufbauen, neue Ideen entwickeln und testen. Und die Ideen, die funktionieren, dann gemeinsam kommerziell nutzen. Wie jetzt die Olive. In der heimischen Landwirtschaft ist unglaublich viel Wissen vorhanden – aber manchmal braucht es einen Blick von außen, ein „Out-of-the-box-Denken“, um etwas Neues zu erschaffen. Das ist die Rolle der Agro Rebels.

Foto: © Agro Rebels

Herzlichen Dank für das Gespräch!

DI Johanna Fellnhofer,
Kommunikation,
SAATBAU LINZ

Derzeit werden noch Partner-Bauern für die gemeinsame Olivenproduktion gesucht.

Mehr dazu auf agrorebels.at erfahren