14.04.2023

Wintergerste Bestandesführung - Kühl und regnerisch bis ca. 20. April 2023

Bestimmung des Entwicklungsstadiums bei Wintergetreide und Empfehlungen zu Wachstumsregulierung, Düngung und Pflanzenschutz

Aufgrund der aktuellen Witterung sind in weiten Regionen die Felder nicht befahrbar. War die Entwicklung der Getreidebestände Anfang April lt. Portal der ÖHV noch um ca. 14 Tage weiter fortgeschritten als 2022 sind wir derzeit auf Gleichstand, d.h. die kühle Witterung hat den Vorsprung aufgebraucht. Sehr früh gesäte Bestände sind etwas weiter und befinden sich zwischen EC 31 und EC 32, späte gesäte Bestände sind zumeist max. EC 31. Um die entsprechenden Maßnahmen richtig zu terminisieren ist es wichtig das Stadium am eigenem Bestand zu bestimmen.

Am Bild sehen wir den Bestockungsknoten, den ersten und den zweiten Halmknoten. Wäre der erste Halmknoten weniger als 1 cm vom Bestockungsknoten entfernt hätten wir noch EC 30, ist er mehr als 1 cm entfernt haben wir EC 31 erreicht. Wenn der zweite Halmknoten mindesten 2 cm vom ersten Halmknoten entfernt ist haben wir EC 32 vorliegen. Bei dieser Pflanze befinden wir uns folglich in Stadium EC 31.

Die Zeitdauer von EC 31 bis EC 32 beträgt je nach Witterung ca. 10 Tage, in der aktuellen Witterungsphase aber etwas länger.

Wachstumsregler

Die Entwicklung ist zwar durch die momentan kühleren Temperaturen verzögert, wird aber ab 20. April bei steigenden Temperaturen und länger werdenden Tag sehr schnell gehen. Im Stadium EC 31 – EC 32 haben wir den idealen Zeitpunkt für den Halmverkürzereinsatz erreicht, in manchen weit entwickelten, früh gesäten Beständen ist dieser schon vor der Regenphase erfolgt, zumeist aber noch offen. Dem richtigen Halmverkürzereinsatz ist eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken, um die Standfestigkeit abzusichern und damit das hohe Ertragspotenzial der Sorten auszuschöpfen. Je nach Standfestigkeit der Sorte – z.B. haben LENTIA, HANNELORE oder die mehrzeilige Sorte ADALINA bei der Neigung zu Lagerung, auf einer Skala von 1 bis 9, die sehr guten Noten 2 – 4. Die Winterbraugerste MONROE, die ZZ Sorten SU LAUBELLA, SU XANDORA, LG CAMPUS sowie die MZ Sorten VENEZIA und SENTA die Note 5.

Die besten Einkürzungseffekte werden im EC 31 – EC 32 erzielt.  Die meisten Produkte haben eine Zulassung von EC 29 bis EC 49. Mit Moddus (bzw. Produkten die den Wirkstoff Trinexapac des Moddus enthalten) stehen hier erprobte und gut wirksame Produkte mit einer Aufwandmenge von 0,2 bis 0,8 lt/ ha zur Verfügung. Bei allen Produkten ist besonders die Zulassungssituation und Mischbarkeit (Herbizide, Fungizide, Blattdünger…) zu beachten. Prodax als weiterer Wachstumsregler stellt eine Mischung aus einem Wirkstoff des Medax Top und dem Wirkstoff des Produktes Moddus dar. Es vereint laut Anbieter auch die Vorteile dieser beiden Produkte – eine etwas temperaturunabhängigere und längere Wirkungsdauer als die der Einzelprodukte (Aufwandmenge 0,5 -1,0 kg /ha).

Je wärmer und strahlungsintensiver (derzeit eher nicht gegeben!) das Wetter ist, umso stärker ist die einkürzende Wirkung. Achtung auch bei Kombinationen mit Fungiziden, die ebenfalls die Wirkung verstärken. Allgemein gilt – je später der Einsatz der Wachstumsregulatoren erfolgt, umso geringer ist der Effekt auf die Halmfestigung, da die einkürzende und den Halm stabilisierende Wirkung nur mehr den Neuzuwachs betrifft. Die Halmwandverdickung im unteren Bereich und die Einkürzung zwischen den unteren Internodien die für die Verbesserung der Standfestigkeit essentiell sind, schaffen wir bei verspäteten Einsatz nicht mehr.

Zu einem späteren Zeitpunkt bzw. bei noch immer instabilen Beständen kann mit dem Wirkstoff Ethephon (zB. Produkt Cerone) auch später noch eine merkbare Einkürzung zwischen Ähre und letzten Blatt erreicht werden (zugelassen je nach Produkt von EC 32 bis EC 49).

Generell gilt für alle Wachstumsregler, dass der Einsatz immer den Standortbedingungen, der Sorte und der Wasserversorgung des Standortes angepasst erfolgen sollte um Schäden zu vermeiden – das gilt vor allem auf trockenen Standorten.

Düngung

Aufgrund des Vegetationsfortschritts ist die 2. N-Düngung aktuell je nach Anbauzeitpunkt und Region zumeist bereits abgeschlossen, sollte aber zumindest aber sobald wieder befahrbar erledigt werden. Ab dem EC 32 steigt der Nährstoffbedarf stark an, die angelegten Körner an der dann ca. 1 cm großen Ähre müssen ernährt werden.

Je nach Ertragslage und Ertragserwartung ist bei Wintergerste mit der 2. Gabe auf 100 – 130 kg N/ha aufzudüngen. Zur Sicherung der Kornausbildung bleiben somit zum Zeitpunkt kurz vor Grannenspitzen (EC 49) noch etwa 30 kg N/ha übrig bzw. wurde auf schwächer entwickelten Beständen diese Düngung bereits vorgezogen und mit der 2. Gabe kombiniert, um einer zu starken Triebreduktion vorzubeugen. Im Gegensatz dazu muss in zu stark entwickelten Beständen mit der Düngung bis zum EC 32 zugewartet werden, um die Reduktion unproduktiver Triebe, die nur unnötig Nährstoffe und Wasser verbrauchen, zu gewährleisten. Anschließend sollte aber gerade auf trockenen Standorten bald die 3. Gabe falle um die notwendige Feuchtigkeit zur Auflösung des Düngers zu gewährleisten.

Vorsicht – wer Winterbraugerste mit der Sorte MONROE oder SONJA produzieren will, sollte die 2.Gabe etwas geringer bemessen und auf jeden Fall rechtzeitig ausbringen, damit es zu keinen erhöhten Proteinwerten kommt (ca. 20 – 25 % weniger als für Futtergerstenproduktion).

Pflanzenkrankheiten

Die Erfahrung aus den Vorjahren bei der Wintergerste zeigen, dass eine längere trockene Witterungsphase im Frühjahr den Krankheitsdruck deutlich reduzieren kann. Aktuell in allen Teilen Österreichs fallende Niederschläge können die Situation aber sehr schnell ändern. Es gilt, die Bestände zu beobachten und daraus, zusammen mit dem Witterungsverlauf, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die zurzeit in Bodennähe befindlichen vergilbten Blätter bei der Wintergerste, im Besonderen in über Winter überwachsenen und vom Spätfrost betroffenen Beständen, kommen vom Mehltau im Herbst bzw. N-Mangel im Februar, März und sollten für das Ertragsgeschehen keine Rolle spielen.

Sehr wohl zeigen sich in einigen Beständen aber Vergilbungen durch Manganmangel (gerade auf lockeren Böden – erkennbar daran, dass die Fahrspuren dunkler gefärbt sind) der auch die Wurzelausbildung hemmt. Dieser sollte sich nach ausreichenden Niederschlägen bessern, falls doch nicht können sie diesen noch durch Zugabe eines Manganblattdüngers bei anderen Überfahrten mindern.

Viele Betriebe haben, bzw. werden beim Halmverkürzereinsatz ein Fungizid zusetzen v.a. auch deshalb, weil in einigen Regionen verstärkt Netzflecken auftreten. Unabhängig von der Wetterlage, auch bei trockenen Verhältnissen, müssen wir auf alle Fälle wieder mit Ramularia, der wichtigsten Blattkrankheit der Wintergerste rechnen. Die Anfälligkeit der Sorten liegt hier im eher höheren Bereich (Note 5-8 lt. AGES Sortenliste). Leider gibt es für diese Krankheit zurzeit keine andere Möglichkeit der Ausschaltung oder Schadensminimierung als den chemischen Pflanzenschutz. Ca. 10 Tage nach dem Ährenschieben treten die ersten Symptome auf – die Infektion erfolgt aber bereits deutlich früher und innerhalb weniger Tage kann die ganze Pflanze befallen werden – wenn die Krankheitsmerkmale zu sehen sind, ist es für eine Bekämpfung bereits zu spät. Erschwerend hinzugekommen ist in den letzten Jahren, dass diese Krankheit gegenüber bestimmten fungiziden Wirkstoffen Resistenzen entwickelt hat und deshalb hier auf die Wahl des richtigen Produktes sehr genau geachtet werden muss.

Bei der Bekämpfung der Ramularia spielte der Wirkstoff Chlorthalonil eine entscheidende Rolle, welcher uns nicht mehr zur Verfügung steht. Für eine effektive Bekämpfung der Krankheiten der Gerste sollten Einzelprodukte mit guter, breiter Wirkung gegen Blattkrankheiten (Mehltau, Rhynchosporium, Netzflecken…) mit dem Kontaktwirkstoff Folpet kombiniert werden.

Zum Einsatzzeitpunkt ist zu sagen: Wer zu Wachstumsreglermaßnahmen in EC 31-32 schon ein Fungizid zugegeben hat oder zugeben wird, bzw. in einer separaten Überfahrt in EC 37 – 39 ein Fungizid appliziert, kann mit dem Abreifeschutz etwas länger zuwarten. Wer keine fungizide Vorlage auf seiner Wintergerste hat, für den ist es sinnvoller etwas früher zu behandeln. In den meisten Fällen wird dann der Einsatz in der Praxis spätestens zum Grannenspitzen (EC 49 – 51) erfolgen. Zusammengefasst kann man sagen, dass in den feuchteren Anbaulagen (Westbahngebiet von St. Pölten westwärts, OÖ, Burgenland Süd, Steiermark und Kärnten) eher Doppelbehandlungen in EC 37 – 39 + EC 51 – 59, in den trockenen Anbaulagen aber eher Einmalbehandlungen in EC 49 empfehlenswert sind, um das Ertragspotenzial ihres Bestandes abzusichern.

Tierische Schädlinge wie Getreidehähnchen treten regional unterschiedlich auf und müssen beobachtet werden um gegebenenfalls mit einem Insektizidzusatz bei anderen Maßnahmen reagieren zu können um zusätzliche Überfahrten bzw. Kosten zu vermeiden.

Bitte wie immer bei den Empfehlungen die Registrierungsauflagen der Pflanzenschutzmittel und die erlaubten Düngerhöchstmengen nach den Auflagen der sachgerechten Düngung beachten.

In diesem Sinne wünscht Ihnen die Saatbau Linz viel Erfolg und für Fragen zu Sorten und Bestandesführung stehen Ihnen unsere Mitarbeiter im Außendienst und ich gerne zur Verfügung!

Albert MÜLLNER
Beratung Pflanzenbau
SAATBAU LINZ