24.08.2021

Dinkelzüchtung

Eine Kultur, viele Facetten

Ist von Dinkel die Rede, haben die meisten ein klares Bild vor Augen – ausgeprägte Pflanzenlänge, lange, hängende, unbegrannte Ähren und eine leicht rötliche Abreife.

Dieses „typische“ Dinkelbild spiegelt aber nur einen Bruchteil der Vielfalt wider, die es im Dinkel gibt (Abbildung 1). Ursache ist vermutlich der starke Rückgang des Dinkelanbaus im letzten Jahrhundert. Im Zuge dessen, ist auch eine große Artenvielfalt verloren gegangen. Eine eingeschränkte genetische Diversität kann hinsichtlich zukünftiger Herausforderungen in der Landwirtschaft und dem verarbeitenden Gewerbe aber eine Gefahr für den langfristigen Anbau einer Kulturart darstellen.In alten Landsorten, die z.B. in Genbanken erhalten sind, schlummert eine große Vielfalt. Da diese aber züchterisch nur wenig bearbeitet wurden, bringen sie meist ungewünschte Eigenschaften wie Lager, geringen Ertrag, Spindelbrüchigkeit etc. mit sich. Nichtsdestotrotz kann die heutige Züchtung durch gezielte Kreuzung und Selektion von der breiten Genetik alter Landrassen profitieren und damit die genetische Basis und Anzahl genutzter Dinkelsorten wieder erweitern.

Dinkelzüchtung – worauf es ankommt

Eines der wichtigsten Ziele zu Beginn der Dinkelzüchtung war sicherlich die Verbesserung der Standfestigkeit. Dies gelang unter anderem durch Einlagerung des Rht-D1-Gens, welches bekannt ist als das Gen der grünen Revolution. Inzwischen gibt es aber auch moderne Sorten, deren verbesserte Standfestigkeit auf einer Vielzahl anderer Gene beruht. Dies hat auch zur Folge, dass der Vesenertrag in den letzten zehn Jahren durchschnittlich um bis zu 30–40 % gesteigert werden konnte (LfL 2020). Das Verhältnis Korn zu Vese sowie die Beurteilung, wie leicht sich eine Sorte schälen lässt, sind neben dem Vesenertrag per se bedeutende Selektionskriterien.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist, wie in vielen Kulturen, die Verbesserung der Resistenzeigenschaften. Die derzeit in Österreich registrierten Sorten zeigen alle ein mittleres bis niedriges Resistenzniveau hinsichtlich der bedeutendsten Pathogene. Neuere, registrierte Sorten zeigen bereits in manchen Krankheitsmerkmalen verbesserte Eigenschaften.

Sorten mit einer guten horizontalen Resistenz sind vor allem im ökologischen Landbau ein wichtiger Eckpfeiler, welcher sich in Österreich bei Dinkel auf über 60 % beläuft (AMA 2020). Dies hat zur Folge, dass in der Dinkel­züchtung weitere Selektionskriterien wie Deckungsgrad, Jugendentwicklung und Blatthaltung eine wichtige Rolle spielen. Da Dinkel inzwischen ein beliebter Rohstoff für diverse Backwaren geworden ist, gewinnen neben den agronomischen Merkmalen die Qualitätsparameter immer mehr an Bedeutung. Ähnlich wie im Weizen werden bei der Sortenzulassung von Dinkel quantitative und qualitative Daten zu Protein und Stärke erhoben. Hinzu kommen teigrheologische Untersuchungen u.a. mit dem Farinogramm und Extensogramm, um die Backfähigkeit einer Sorte beurteilen zu können. Im Dinkel gibt es auch für Qualitätsparameter eine große genetische Diversität, die es züchterisch zu nutzen gilt.

Molekulargenetische Untersuchungen unterstützen und ergänzen die oben beschriebene Züchtungsarbeit, um ­möglichst effizient aus einem sehr großen Pool die vielversprechendsten Kandidaten für weitere umfangreiche Versuche selektieren zu können.

Herausforderung Züchtungssaatgut

Die Dinkelzüchtung steht auch vor rein praktischen Herausforderungen. Der Versuchsanbau mit Spezialmaschinen in Doppelreihen, Microplots, Klein- und Prüfparzellen setzt ein dafür geeignetes Prüfsaatgut voraus – heißt also ­geschältes Dinkelsaatgut mit hoher Triebkraft.

Dies wiederum bedeutet eine Methode zu finden, auch kleine Mengen Saatgut schonend und effizient zu entspelzen, ohne dabei den Keimling zu beschädigen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Keimfähigkeit und Triebkraft des Saatgutes erhalten bleibt und eine optimale Basis für die Beurteilung der verschiedenen Genotypen auf dem Feld geschaffen ist.

Die Sortenausrichtung

Befürworter von traditionellen Dinkel­sorten wie z. B. OSTRO und ­OBERKULMER ROTKORN sehen die Gefahr, dass Dinkel sein positives Image durch Neuzüchtungen verlieren könnte. Von wissenschaftlicher Seite gibt es aber für diese Befürchtungen keine Anhaltspunkte. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des Dinkels, ist dieser näher mit Weizen verwandt als oft landläufig angenommen.

Der Vorteil neuer moderner Sorten liegt neben der verbesserten Standfestigkeit und dem höheren Ertrag auch häufig in einer verbesserten Backeigenschaft. Bei der Wahl hinsichtlich traditioneller oder moderner Sorte, spielen neben der individuellen Einstellung ­weitere Kriterien wie geographische Lage, Bodenbeschaffenheit, Förderprogramme und auch die Vermarktungskette bzw. der Konsument eine entscheidende Rolle. In Österreich teilen sich derzeit die beiden Sorten ­EBNERS ROTKORN und ­ZOLLERNSPELZ über 60 % der Vermehrungsflächen (BAES 2020). In Deutschland, dem Land v.a. mit einer im Süden stark ausgeprägten Dinkel­kultur, werden hingegen speziell standfestere Sorten mit guten Back­eigenschaften bevorzugt. Letztendlich wird die Dinkel­züchtung den Landwirten einerseits traditionellere Sorten für den eher extensiveren Anbau und andererseits ­moderne ertragsstarke Sorten zur Verfügung stellen müssen, um den diversen Anforderungsprofilen seitens der Landwirte und Verbraucher Rechnung tragen zu können. Dieses Ziel, ertragsstarke, ­resistente und qualitativ hochwertige Sorten für ein breites Spektrum von Landwirten und Verbrauchern ­anbieten zu können, hat sich die Saatzucht Donau mit der Entscheidung eine eigene Dinkel­züchtung aufzubauen, gesetzt.

 

Dr. Melanie STADLMEIER
Dinkel- und Triticalezüchterin
Saatzucht Donau