28.08.2023

Die Rückkehr des Weizensteinbrandes

Brandkrankheiten, insbesondere der Gewöhnliche Steinbrand, waren lange in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren haben sich diese Schaderreger vor allem im Bio-Weizen zurückgemeldet.

Die Anbaufläche von Bio-Weichweizen in Österreich wächst beständig – allein in den sechs Jahren von 2017 bis 2023 um 12.251 ha auf eine Gesamtfläche von 43.378 ha. Damit wird bereits auf rund 17,5 % der Weizenanbaufläche in Österreich Bio-Qualität erzeugt (Stand 2023). Durch den Verzicht auf synthetischen Pflanzenschutz und die eingeschränkte Verwendung von Düngemitteln liegen die Erträge von Bio-Weizen im Schnitt der letzten fünf Jahre allerdings auch nur bei gut 60 % im Vergleich zu konventioneller Bewirtschaftung. Gerade angesichts dieser geringeren Produktivität ist der Schutz vor Einbußen durch Krankheitsbefall besonders wichtig. Immer mehr Landwirte sehen sich in den letzten Jahren mit Ertragsverlusten und vor allem Qualitätsabschlägen durch Befall mit Steinbrand konfrontiert. Da diese Krankheit jedoch in den vergangenen Jahrzehnten großteils von der Bildfläche verschwunden war, herrscht sowohl in der Bewusstseinsbildung als auch in der Resistenzforschung aktuell großer Nachholbedarf.

Schadsymptome und Infektionskreislauf

Die Erreger des Gewöhnlichen Steinbrands sind Tilletia caries und T. laevis – zwei eng verwandte und genetisch kaum unterscheidbare Vertreter der Brandpilze. Sie unterscheiden sich im Infektionszyklus und auch in den durch sie verursachten Symptomen vom Erreger des Zwergsteinbrandes, T. controversa. Letzterer benötigt für erfolgreiche Infektionen ein spezielles Temperatur- und Feuchtigkeitsregime, das vor allem durch eine durchgehende Schneedecke über mehrere Wochen gewährleistet wird. Da diese Bedingungen in den Hauptanbaugebieten für Bio-Weizen in Österreich kaum auftreten, spielt der vor allem bodenbürtige Zwergsteinbrand kaum eine Rolle. Häufig sind jedoch Infektionen mit Gewöhnlichem Steinbrand. Dessen Ansprüche an die Umweltbedingungen sind wesentlich geringer und die Übertragung erfolgt vor allem über kontaminiertes Saatgut. Steinbrandsporen, die sich auf den Weizenkörnern befinden, keimen am besten bei 5–10 °C und unter eher trockenen Bedingungen.

Aufgrund dieser Temperaturansprüche spielt der Gewöhnliche Steinbrand hauptsächlich im Winterweizen eine Rolle, da die benötigten Infektionsbedingungen beim Frühjahrsanbau meist nicht mehr gegeben sind. Weizenkeimlinge werden im Zwei- bis Dreiblattstadium infiziert, also unmittelbar beim Feldaufgang. Der Pilz wächst dann systemisch und weitgehend symptomlos in der Pflanze mit und erreicht bei anfälligen Sorten das Apikalmeristem. So ist er in der Lage, in die Ähren und Samenanlagen einzuwachsen. Im Endosperm werden während der Kornreife Sporen gebildet wodurch das Weizenkorn durch eine sogenannte Brandbutte, bestehend aus Massen von dunkelbraunen bis schwarzen Teliosporen, ersetzt wird. Die Brandbutten (Sori) ähneln in ihrer Form den Körnern, ihre dünne Haut bricht jedoch während der Ernte leicht auf und setzt den Sporeninhalt frei. So können schon bei geringem Befall große Mengen an Erntegut durch nur wenige Brandbutten kontaminiert werden. Bereits eine keimfähige Spore ist unter günstigen Bedingungen ausreichend, um einen Weizenkeimling zu infizieren.

Die Brandbutten verströmen aufgrund des enthaltenen Trimethylamins einen starken, unangenehmen und einprägsamen Geruch nach verdorbenem Fisch. Kranke Ähren in einem Feld zu identifizieren kann allerdings speziell in frühen Stadien und bei geringem Befall schwierig sein und erfordert Übung. Da Steinbrandbefall oft zu einem verkürzten Wuchs führt – synthetisches Trimethylamin wird zur Herstellung von Halmverkürzungsmitteln verwendet – sollten vor allem Ähren in den unteren Schichten untersucht werden. Die Symptome sind ab dem Erreichen der Milchreife erkennbar. Befallene Ähren haben im Vergleich zu gesunden eine dunklere, blaugrüne Farbe und die Ährchen stehen leicht gespreizt, was zu einem breiteren und abgeflachten Erscheinungsbild der Ähre führt. Entfernt man die Hüllspelzen wird statt einem blassgrünen bis weißen Kornansatz eine intensiv grün gefärbte Fruchtanlage sichtbar. Bricht man die Samenschale z. B. mit dem Fingernagel auf, ist bereits in der frühen Milchreife ein deutlicher Fischgeruch wahrnehmbar. In späteren Reifestadien werden die Unterschiede in Wuchshöhe und Ährenform deutlicher, die dunkle Farbe der Brandbutten ist bereits durch die Hüllspelze erkennbar.

Wirtschaftliche Bedeutung von Brandkrankheiten

Ist der Steinbrandbefall einmal im Feld vorhanden, gibt es keine wirksamen Bekämpfungsmaßnahmen mehr. Speziell bei hohen Infektionszahlen sollte gut abgewogen werden, ob sich die Ernte der betreffenden Fläche lohnt, da mit stark verminderten Erlösen zu rechnen ist. Aber auch bei niedrigen Befallsprozenten ist es wichtig, die landwirtschaftlichen Geräte nach der Ernte gründlichst zu reinigen, um eine Verschleppung der Steinbrandsporen beim Drusch nachfolgender Felder zu verhindern. Da einem Befall nur vorgebeugt, er jedoch nicht nachträglich bekämpft werden kann, sind Präventionsmaßnahmen essentiell. Generell wird empfohlen, auf Befallsfreiheit des Saatgutes zu achten und daher ausschließlich Z-Saatgut zu verwenden oder eigenes Saatgut zumindest im Zuge der Gebrauchswertprüfung testen zu lassen. Auch wenn damit schon ein wichtiger Schritt getan ist, bietet zertifiziertes oder geprüftes Saatgut angesichts der oben genannten Grenzwerte allerdings noch keine Schutzgarantie gegen Steinbrand.

Auch wenn eine Handvoll Sporen pro Korn sehr wenig erscheint, so ist das unter günstigen Bedingungen und beim Anbau anfälliger Sorten doch ausreichend, um Infektionen hervorzurufen. Landwirte sollten daher ein Bündel an Maßnahmen kombinieren, um Steinbrand aus ihren Weizenfeldern zu verbannen. Dazu zählt die Verwendung der biologischen Saatgutbeizen Cerall® oder Cedomon®, die auf der Wirkung des Bakteriums Pseudomonas chlororapis basieren und gegen samenbürtige Sporen wirken, nicht jedoch gegen bodenbürtige. Weiters zeigt das Pflanzenstärkungsmittel Tillecur® (Gelbsenfmehl) eine sehr gute Wirkung gegen samenbürtigen Steinbrand. Auch wenn der Gewöhnliche Steinbrand lange Zeit als ausschließlich samenbürtige Krankheit galt haben wissenschaftliche Untersuchungen und praktische Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass auch die Sporen von T. caries und T. laevis einige Jahre im Boden überdauern und zu Infektionen führen können. Deshalb ist als weitere Vorbeugungsmaßnahme eine weite Fruchtfolge mit zumindest vier Jahren Anbaupause zwischen zwei Weizensaaten zu empfehlen. Um das Zeitfenster für Steinbrandinfektionen möglichst kurz zu halten sind zusätzlich alle Maßnahmen sinnvoll, die einen raschen Feldaufgang und gutes Jugendwachstum begünstigen. Nachdem Resistenz gegen Steinbrand jahrzehntelang aus dem Portfolio der Weizenzüchtung verschwunden war, wurden erst in den letzten Jahren einige Sorten zugelassen, die eine gewisse Toleranz und teilweise auch vollständige Resistenz aufweisen. Diese Sorten sollten als vorbeugende Maßnahme in Betrieben mit steinbrandgefährdeten Flächen angebaut werden, sie sind aber keinesfalls für die Sanierung bereits verseuchter Böden geeignet. Wenn ein Acker stark mit Steinbrandsporen belastet ist, sollte dort für einige Jahre vollständig auf den Anbau von Winterweizen verzichtet werden.

Was leisten Forschung und Züchtung?

Resistenz gegen alle Brandkrankheiten ist im Genpool von Weizen vorhanden, in den allermeisten Fällen jedoch in exotischem, nicht angepassten Pflanzenmaterial. Um diese vorteilhaften Eigenschaftenisoliert von all den unerwünschten Charakteristika, die diese genetischen Ressourcen sonst mit sich bringen, für die Züchtung nutzbar zu machen, sind umfangreiche Forschungsarbeiten nötig. An der Universität für Bodenkultur (BOKU) wird seit Jahren nach den Positionen der Resistenzorte auf dem Weizengenom gesucht. Bisher sind 16 Resistenzgene bekannt, deren Wirksamkeit vom Virulenzspektrum regionaler Steinbrand-Populationen abhängt. Derzeit wird an der BOKU in Tulln an der Kartierung eines besonders breit wirksamen Resistenzgens gearbeitet und molekulare Marker für die einfache und zuverlässige Selektion in Zuchtmaterial entwickelt. Solche Marker sind unerlässlich, um den Aufwand für die Selektion resistenter Pflanzen in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten.

Daher ist die Zusammenarbeit zwischen der akademischen Forschung und der angewandten Züchtung im Hinblick auf Steinbrand unentbehrlich, um den großen Rückstand in der Entwicklung resistenter Sorten schnellstmöglich aufzuholen. Da die EU-Vorschriften für biologische Landwirtschaft auch auf die Produktion von Saatgut ausgedehnt wurden, sind Sorten mit zuverlässiger Steinbrandresistenz notwendig, um die biologische Saatgutversorgung zu sichern. Derzeit gibt es nur einige wenige Sorten, die sich in den künstlich ifizierten Feldversuchen gegen eine Reihe österreichischer Steinbrandpopulationen als resistent oder immerhin tolerant erwiesen haben. Dazu zählen vor allem „Aristaro“ und, eingeschränkt je nach Region, auch „Axaro“, „Tillsano“ und „Tilliko“. Um ein ungebremstes „Come-Back“ des Steinbrandes im Bio-Weizenanbau zu verhindern müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden. Dazu zählen Forschungsanstrengungen und die Adaptierung von Zuchtprogrammen ebenso wie umsichtiges und informiertes Planen und Wirtschaften in der Praxis.

Die Forschungsarbeiten werden durch finanzielle Mittel der EU im Rahmen des Projektes ECOBREED (771367) an die Universität für Bodenkultur und Saatgut Austria unterstützt.

DI Magdalena Lunzer
Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion,
BOKU Tulln

Ao. Univ. Prof.
DI Dr. Heinrich Grausgruber

Institut für Pflanzenzüchtung,
BOKU Tulln