28.03.2024
EU-Entwaldungsverordnung: Standards und Chancen
Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zielt darauf ab, ab Ende 2024 Entwaldung in EU-Lieferketten zu stoppen, Rückverfolgbarkeit herzustellen und Emissionen zu reduzieren.
Die EU importiert jährlich etwa 30 Millionen Tonnen Soja für Tierfutter, vor allem aus Südamerika, und trägt damit als zweitgrößter Verursacher zur globalen Entwaldung bei. Die Entwaldungsverordnung zielt darauf ab, Rückverfolgbarkeit in den EU-Lieferketten herzustellen und kürzlich gerodete Flächen auszuschließen. Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) muss ab 30.12.2024 umgesetzt werden und betrifft Unternehmen, die die Rohstoffe Soja, Palmöl, Kautschuk, Kakao, Kaffee, Holzprodukte und Rinder in die EU importieren, exportieren und produzieren. Erstinverkehrbringer müssen durch einen festgelegten Sorgfaltspflichtenprozess sicherstellen, dass die Waren entwaldungsfrei und im Einklang mit nationalen Gesetzen produziert wurden, bevor die Rohstoff e gehandelt werden dürfen. Der Sorgfaltspflichtenprozess muss mittels einer Sorgfaltspflichtenerklärung bestätigt werden. Es werden alle Flächen von EU-Lieferketten ausgeschlossen, auf denen nach dem 31.12.2020 Entwaldung stattfand, selbst wenn die Entwaldung im Anbauland legal war. Kleine und Mittlere Unternehmen (KMUs) müssen die Verordnung ab dem 30.06.2025 anwenden und weniger Anforderungen erfüllen als große Unternehmen: KMUs müssen relevante Informationen über An- und Verkäufer dokumentieren und Referenznummern von Sorgfaltspflichtenerklärungen fünf Jahre lang aufbewahren. Falls bereits eine Sorgfaltspflichtenerklärung vorliegt, müssen KMUs nur die Referenznummern weitergeben. Die größte Änderung, die dabei auf den Soja-Sektor zukommt, ist, dass alle Anbauflächen für das Soja bekannt und rückverfolgbar sein müssen. Diese Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette bis zum Feld wird als notwendig angesehen, um nachweisen zu können, dass die Rohstoffe nicht von kürzlich entwaldeten Flächen stammen.
Die Rolle der Landwirte in der EU
Landwirte in der EU, als Erstinverkehrbringer des Sojas, sind verantwortlich für die Legalität und Entwaldungsfreiheit der Produkte sowie für das Ausfüllen der Sorgfaltspflichtenerklärung. Es ist jedoch möglich, die nächste Stufe der Lieferkette zu bevollmächtigen, diese Erklärung auszufüllen. Dabei darf es sich jedoch nicht um eine Person oder ein KMU handeln. Für Landwirte in der EU, insbesondere in Österreich und Deutschland, wird die zusätzliche Bürokratie aufgrund des geringen Entwaldungsrisikos voraussichtlich geringer ausfallen, da die Länder ein geringes Risiko für Entwaldung
haben. Die Europäische Kommission ordnet jedem Land weltweit ein Risikolevel zu, basierend auf dem jeweiligen Risiko für Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen. Bei Anbauländern mit geringem Risiko kann der vereinfachte Sorgfaltspflichtenprozess angewandt werden, der lediglich aus der Sammlung bestimmter Informationen und dem Ausfüllen der Sorgfaltspflichtenerklärung besteht. Das bedeutet, die Schritte zwei und drei des Sorgfaltspflichtenprozesses, die Risikoanalyse und -minderung, können übersprungen werden, und direkt die Sorgfaltspflichtenerklärung auf Grundlage der gesammelten Informationenausgefüllt werden. Im ersten Schritt des Sorgfaltspflichtenprozesses müssen folgende Informationen gesammelt und fünf Jahre lang gespeichert werden.
Für die Sorgfaltspflichtenerklärung werden die Punkte 1.–4. benötigt:
- Produktbeschreibung und Menge (z. B. 1.000 kg Sojabohnen)
- Anbauland mit Geokoordinaten aller Anbauflächen
- Erzeugungszeitpunkt/- zeitraum (z. B. Erntedatum bei Soja)
- Lieferant und Kunde (vorheriges und nächstes Unternehmen in der Lieferkette)
- Nachweise, dass das Produkt nicht zur Entwaldung beigetragen hat
- Nachweis der Einhaltung nationaler Gesetze
Was bedeutet hier Soja?
In Anhang I der Entwaldungsverordnung ist definiert, für welche Produkte die Sorgfaltspflichten zutreffen. Händler müssen immer wenn betroffene Soja-Produkte verkauft werden, sicherstellen, dass die relevanten Informationen als Teil der Sorgfaltspflichtenerklärung weitergegeben werden. Wenn ein neues Produkt hergestellt wird, dass in Anhang I aufgelistet ist, z. B. die Verarbeitung von Sojabohnen zu Sojaöl, muss eine neue Sorgfaltspflichtenerklärung erstellt werden, mit den Informationen aller vorherigen Sorgfaltspflichtenerklärungen von allen Sojabohnen, die verwendet wurden. Zu welchem Zeitpunkt dies bei fortlaufenden Verarbeitungsprozessen geschehen soll, muss noch von der Europäischen Kommission definiert werden. Die Sorgfaltspflicht bei Soja im Tierfutter endet zum Beispiel sobald das Soja konsumiert wurde.
Geolokalisationsdaten
Die Geolokalisationsdaten aller Anbauflächen müssen immer als Teil der Informationssammlung und der Sorgfaltspflichtenerklärung gesammelt werden, egal welches Risiko das Anbauland hat. Zusätzliche Anforderungen für Landwirte werden v. a. darin bestehen, die Geolokalisationsdaten aller Felder, auf denen Soja angebaut wurde, zu sammeln und weiterzugeben. Eine einfache Möglichkeit die Geolokalisationsdaten herauszufinden ist bei Google Maps (oder ähnlichen Programmen) die jeweilige Stelle anzuklicken. In den nächsten Monaten werden wahrscheinlich immer mehr Anbieter Programme entwickeln, die diesen Prozess vereinfachen.
Rolle von Zertifizierung
Zertifizierte Ware garantiert nicht automatisch die Einhaltung der Anforderungen aber die nationalen Behörden können entscheiden, ob sie bestimmte Standards als Verifizierung der Einhaltung anerkennen. In Artikel 11 Risikominderung werden Vor Ort-Audits und Standards als Option für Risikominimierung genannt, sie entbinden aber nicht vom Sorgfaltspflichtenprozess oder von der Haftung. Glaubwürdige Standards können allerdings helfen, die geforderten Informationen bereitzustellen und das Risiko zu verringern – besonders Standards, die die Lieferkette vom Feld über verarbeitende Betriebe bis zum Produkt zertifizieren und dadurch Rückverfolgbarkeit garantieren. Durch die Vor-Ort-Audits werden bei glaubwürdigen Standards die Grundstücke, die Einhaltung von nationalen Gesetzen und zusätzlich, zum Beispiel über Satellitendaten, die Entwaldungsfreiheit überprüft.
Zertifizierung ist weiterhin ein wichtiges Werkzeug, um den Anbau nachhaltiger zu gestalten. Gerade außerhalb der EU klafft zwischen der reinen Einhaltung der Entwaldungsverordnung und nachhaltigem Sojaanbau eine deutliche Lücke. Darüber hinaus können nachhaltige Zertifizierungen den Zugang zu Märkten öffnen. Seit Januar 2024 verlangen das AMA-Gütesiegel, pastus+ und das QS-System in Deutschland, dass das Soja im Tierfutter von anerkannten Standards wie Donau Soja/Europe Soya zertifiziert ist.
Was fehlt?
Die Europäische Kommission hat es versäumt bei der Verabschiedung der Entwaldungsverordnung Leitlinien für die Umsetzung herauszugeben. Die vielen offenen Fragen werden durch eine Expertenkommission mit Mitgliedern der einzelnen EU-Staaten, aber auch ausgewählte Organisationen, erarbeitet. Donau Soja ist seit Dezember 2023 ein Mitglied der Expertengruppe. Auf Grundlage der Arbeit der Expertengruppe veröffentlicht die Kommission in unregelmäßigen Abständen FAQs. Es bedarf dringend Klarheit über die Anwendung der Entwaldungsverordnung und eine einfache, pragmatische Umsetzung für landwirtschaftliche Betriebe. Die Entwaldungsverordnung berücksichtigt nicht Landumwandlungen in anderen sensiblen Ökosystemen. Überprüfungen bis 2025/2026 sollen mögliche Erweiterungen wie „sonstige bewaldete Flächen und Ökosysteme“, zusätzliche Rohstoffe wie Mais und die Einbeziehung von Finanzinstituten prüfen. Nach fünf Jahren werden Auswirkungen auf den Handel, vor allem für Kleinbauern, sowie mögliche Erleichterungen überprüft. Eine detaillierte Folgenabschätzung vor Inkrafttreten wurde nicht vorgenommen.
Fazit: Die Entwaldungsverordnung als Chance
Die Entwaldungsverordnung hebt die Anforderungen vor allem für Importe von außerhalb Europas an. Innerhalb der EU ist die Landwirtschaft entwaldungsfrei und entspricht oft höheren Nachhaltigkeitsanforderungen. Dadurch gleicht die Entwaldungsverordnung die Wettbewerbsbedingungen für Importe an (im Sinne eines Level-Playing-Fields). Durch die kürzeren Lieferketten von europäischem Soja und dem niedrigeren Entwaldungsrisiko in der EU kommt weniger zusätzliche Bürokratie auf EU-Landwirte und Unternehmen, die europäisches Soja verwenden, zu. Zu erwarten ist somit eine Stärkung des europäischen Soja Marktes und im Idealfall ein höheres Niveau an Eigenversorgung. Das Ziel der Entwaldungsverordnung ist, dass sich Unternehmen ihre Lieferketten genau anschauen und das Entwaldungsrisiko minimieren – ein wichtiger, aber auch schwieriger Schritt. Wenn man sich die Entwaldungsverordnung in einem breiteren Kontext anschaut, ist sie eine gute Vorbereitung auf weitere kommende gesetzliche Anforderungen, wie die EU Nachhaltigskeitsberichterstattung (CSRD) und das EU Lieferkettengesetz (CSDDD) und somit eine Chance für Unternehmen, das Thema nachhaltiges Soja ganzheitlich anzugehen.
Christoph Müller M.Sc.
Policy Director,
Donau Soja
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