07.05.2024

Maiszüchtung im Fasttrack – Chiles saisonaler Vorteil

Die Nutzung der Wintergeneration in Südamerika beschleunigt die Maiszüchtung der SAATBAU LINZ erheblich und verkürzt die Entwicklungszeit neuer Hybriden.

In der Welt der Züchtung spielt Geschwindigkeit eine entscheidende Rolle. Ende Oktober, wenn die Tage bei uns allmählich kürzer werden und die Versuchsernte abgeschlossen ist, beginnen die Vorbereitungen für die Aussaat der Wintergeneration in Chile. Normalerweise würde die praktische Pflanzenzüchtung nun für etwa ein halbes Jahr in eine Art Ruhephase eintreten und bis zum Frühjahr pausieren. Um die Entwicklungszeit einer neuen Sorte zu beschleunigen, wird in der Züchtung die Möglichkeit einer Wintergeneration auf der Südhalbkugel genutzt. Dies erhöht die Geschwindigkeit des genetischen Fortschritts und verkürzt die Entwicklungszeit eines neuen marktfähigen Hybriden.

Klima und Technik als Schlüsselfaktoren

Die Auswahl eines geeigneten Standorts für eine Wintergeneration bedarf einer sorgfältigen Abwägung unterschiedlicher Faktoren, darunter Klima, Infrastruktur, Schädlingsdruck, lokale Gesetze und personelle Ressourcen. Zentral-Chile bietet durch die Lage am Pazifik und dem kühlen Humboldtstrom relativ trockenes Klima. Vor allem in den Monaten November bis April kommt es nur sehr selten zu Niederschlägen. Neben diesen Bedingungen sind Tagestemperaturen von ca. 30 °C, hohe Sonneneinstrahlung und geringe Luftfeuchtigkeit optimal für eine hochwertige Saatgutproduktion. Die geringe Luftfeuchtigkeit verhindert außerdem die Infektion mit Schadpilzen. Die Bewässerung erfolgt präzise durch Tröpfchenbewässerung, die eine gleichmäßige Feuchtigkeitsversorgung während der Vegetationsperiode gewährleistet.

Darüber hinaus ermöglicht diese künstliche Bewässerung eine gewisse Kontrolle über die Kulturbedingungen, einschließlich der Option, die Wassergabe vorzeitig zu reduzieren und so eine frühere Abreife  des Korns einzuleiten. In den letzten Jahren haben wir unsere Züchtungstätigkeit in Richtung Küste verlagert, wo die Lufttemperatur eher gemäßigt ist und wo es nur sehr selten zu langen Hitzewellen kommt. Bei einem Teil unseres Züchtungsmaterials handelt es sich um frühe Flint/Dent–Genetik, die insbesondere während der Blütezeit moderate Temperaturen bevorzugt.

Infrastruktur

Die Transportlogistik spielt eine entscheidende Rolle in der Pflanzenzüchtung, insbesondere wenn es um den reibungslosen Import und Export von Saatgut geht. Chile punktet in diesem Bereich durch seine langjährige Erfahrung im Bereich Pflanzenzüchtungsdienstleistungen. Dies schafft optimale Bedingungen für die schnelle Bewegung von Saatgut sowohl in das Land hinein als auch heraus. Jeder Tag, angefangen vom Versand des Saatguts nach Chile bis zum Rückversand Ende März, spielt für uns Pflanzenzüchter eine essenzielle Rolle, um die Versuche in Österreich rechtzeitig in die Erde zu bringen. Trotz dieser Gegebenheiten kommt es immer wieder zu Verzögerungen während des Transportes, was uns vor wiederkehrende Herausforderungen stellt.

Programme in Chile

Grundsätzlich unterscheiden wir zwei unterschiedliche Bereiche. Zum einen den Zuchtgarten mit einer Größe von etwa 6 ha und zum anderen aktuell 18 Isolationsflächen für die Verkreuzung der Inzuchtlinien zu Hybriden. Im Zuchtgarten werden verschiedene Programme bearbeitet, die intensive Handarbeit erfordern, wie beispielsweise das „Selbsten“ von Inzuchtlinien oder die Durchführung gezielter Handkreuzungen.

Hier befinden sich Vermehrungsprogramme in verschiedenen Züchtungsstadien, beginnend mit der ersten Vermehrungsgeneration der neu entwickelten Inzuchtlinien. Diese umfasst etwa 15.000 Reihen, jede Reihe eine andere Inzuchtlinie. In einem weiteren Programm werden Reihen mit jeweils 10 Pflanzen je Linie angelegt. Dieses Programm wird zum Aufbau von Liniensaatgut benötigt und dient auch der detaillierten Beschreibung des Züchtungsmaterials. Des Weiteren gibt es auch ein Observationsprogramm, um Reinheit und Homogenität von größeren Vermehrungspartien festzustellen.

Eines der wichtigsten Programme in Chile ist der „Topcross“. In diesem Programm erfolgt die gezielte Kreuzung der zu prüfenden Inzuchtlinien mit einem ausgewählten Pollenspender, einem sogenannten Tester. Dieser weist eine sehr gute allgemeine Kombinationseignung auf. Während die Inzuchtlinien als Mütter angebaut und kastriert werden, übernimmt der Tester die Rolle des Vaters und Pollenspenders. Dieser gezielte Kreuzungsprozess erfolgt in Chile auf etwa 18 isolierten Feldern, jeweils mit verschiedenen Testern. Für kleinere Testprogramme erfolgt die Kreuzung manuell im Zuchtgarten. In Summe entstehen in diesen Programmen durch gezielte Kreuzung aktuell etwa 24.000 neue Maishybriden für unsere DentxFlint- und DentxDent Züchtung. Diese Hybriden durchlaufen anschließend unser Versuchsprogramm, und basierend auf den gewonnenen Daten werden sie selektiert. Im seltenen Fall von Saatgutmangel werden auch einzelne Großvermehrungen von Liniensaatgut in Chile durchgeführt, um in der kommenden Saison die Saatmaisproduktion der SAATBAU LINZ sicherzustellen.

Tätigkeiten während der Saison

Mit unserer Partnerfirma arbeiten wir schon länger zusammen, wobei sich die Zusammenarbeit zunehmend intensiviert hat. Mittlerweile befinden sich alle unsere chilenischen Programme bei dieser Firma. In gemeinsamer Arbeit haben wir die Infrastruktur errichtet, darunter eine Trocknungsanlage und eine Halle mit Bürogebäude, um einen reibungslosen Ablauf der Saatgutverarbeitung sicherzustellen. Die Anlage und den Anbau der verschiedenen Programme übernimmt unsere Partnerfirma in Chile. Des Weiteren übernimmt sie die Kulturführung und erledigt die klassischen Zuchtgartentätigkeiten. Während der arbeitsintensivsten Zeit, also zur Blüte, ist ein Mitarbeiter der SAATBAU LINZ vor Ort und überwacht die Tätigkeit bzw. erhebt Daten aus den einzelnen Programmen. Eine entscheidende Phase ist die Ernte von Ende Februar bis Ende März. Drei Mitarbeiter der Maiszuchtstation der SAATBAU LINZ sind zu dieser Zeit etwa ein Monat lang vor Ort und betreuen die Aufbereitung des Zuchtmateriales vom Feld bis zum Versand. Während des Prozesses gelangt kontinuierlich frisches Erntematerial von den Feldern in die Trocknung und anschließend zur Aufbereitung. Das auf den Kolben getrocknete Material wird kontrolliert, gerebelt, ausgezählt und in Papiertüten abgepackt. In Summe werden mehr als 100.000 Papiertüten mit Saatgut befüllt. Ein Großteil des Versuchssaatguts zur Abtestung in Österreich wird in Chile vorbereitet. Eine große Herausforderung ist das kurze Zeitfenster von der Ernte des Saatguts in Chile bis zum Anbau von diesem Saatgut ab Mitte April auf den Versuchsflächen in ganz Österreich.

Die Ausübung züchterischer Tätigkeit über die eigenen Landesgrenzen hinweg bietet eine Vielzahl von Chancen. Neben dem großen Zeitgewinn im Züchtungsverlauf und den zusätzlichen Daten, die erhoben werden können, haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, eine andere Kultur kennenzulernen und neue Erfahrungen in einem Land wie Chile zu sammeln. Nicht zuletzt haben sich aus dieser Zusammenarbeit schon einige gute Freundschaften entwickelt.

DI Klaus Atzgersdorfer
Maiszuchtstation Schönering
SAATBAU LINZ